Landgericht Osnabrück gibt Klage des Deutschen Umwelthilfe e.V. wegen unlauterer Werbung statt - Einzelklagen gegen Händler nicht rechtsmissbräuchlich
05.01.2022
Pressemitteilung 2/22
OSNABRÜCK Der Deutsche Umwelthilfe e.V. hat ein Autohaus aus dem Gerichtsbezirk des
Landgerichts Osnabrück auf Unterlassung unlauterer Werbung erfolgreich in Anspruch
genommen. Die erste Kammer für Handelssachen ist dem Antrag des Klägers mit Urteil vom
17. Dezember 2021 gefolgt (Geschäftszeichen 13 O 230/21).
Der Deutsche Umwelthilfe e.V. beanstandete einen durch das Autohaus auf seiner
Facebookseite geteilten Post des Automobilherstellers: „Automobilherstellers X, Glänzende
Nachrichten für alle Fahrzeugmodell Y Fans! Unser praktischer Fahrzeugmodell Y 1.2
Benziner konnte beim ADAC Autokosten-Check für Kleinwagen ein … Mehr ansehen“. Die
Werte über den offiziellen Kraftstoffverbrauch sowie die CO2-Emissionen erschienen erst
durch einen gesondert zu tätigenden Klick in einem weiteren Textfeld. Ferner erschien beim
erstmaligen Aufrufen der Internetseite ein 25 Sekunden langes Video, bei dem nach 17
Sekunden ebenfalls die Angaben zum Kraftstoffverbrauch sowie den CO2-Emissionen
angezeigt wurden. Dieser Post wurde von 26 über das Gebiet der Bundesrepublik verteilte
Autohäusern, die die Fahrzeuge des betroffenen Automobilherstellers veräußerten, auf deren
Internetseite geteilt. Der Kläger forderte die einzelnen Autohäuser wegen Verstoßes gegen
die Regelungen der PKW-ENVKV zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf.
§ 5 Abs. 1 PKW-EnVKV lautet wie folgt:
„Hersteller und Händler, die Werbeschriften erstellen, erstellen lassen, weitergeben oder auf
andere Weise verwenden, haben sicherzustellen, dass in den Werbeschriften Angaben über
den offiziellen Kraftstoffverbrauch und die offiziellen CO2-Emissionen der betreffenden
Modelle neuer Personenkraftwagen nach Maßgabe von Abschnitt 1 der Anlage 4 gemacht
werden.“
Im Abschnitt I der Anlage 4 zu 5 PKW-EnVKV heißt es unter anderem wie folgt:
„Für das in der Werbeschrift genannte Fahrzeugmodell sind Angaben über den offiziellen
Kraftstoffverbrauch (Werte im Testzyklus innerorts und außerorts sowie kombiniert) und die
offiziellen spezifischen CO2-Emissionen im kombinierten Testzyklus zu machen. …“
Der Aufforderung des Klägers kamen die Autohäuser, so auch die Beklagte, nicht nach, so
dass der Kläger Klage gegen die jeweiligen Autohäuser an den für deren Sitz zuständigen
Gerichten erhob. Dem Kläger war zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt, dass die Beklagte sowie
die anderen Autohäuser durch den gleichen Prozessbevollmächtigten im gerichtlichen
Verfahren vertreten werden sollten. Ebenso wenig hatten die Beklagte noch die anderen
Autohäuser vorprozessual weder geäußert noch signalisiert, dass der Kläger die Klagen bei
einem Gericht konzentrieren möge oder das Führen eines Prozesses verbindliche Wirkung
besitze. Die Beklagte wendet unter anderem gegen das Begehren des Klägers ein, dass weder
eine Werbung für ein bestimmtes Fahrzeugmodell noch eine spürbare Beeinträchtigung der
Verbraucherinteressen vorliege. Unberücksichtigt dessen sei das Agieren des Klägers
rechtsmissbräuchlich. Der Kläger sei gehalten gewesen, die betroffenen Autohäuser vor einem
Gericht in Anspruch zu nehmen.
Die erste Kammer für Handelssachen bei dem Landgericht Osnabrück vertrat die Auffassung,
dass der durch die Beklagte geteilte Post Angaben zu dem Kraftstoffverbrauch sowie den CO2-
Emissionen enthalten müsse. In der Zusammenschau des Posts werde ein konkretes
Fahrzeug Modell eines ebenfalls benannten Herstellers beworben. Mit dem Vorenthalten von
Pflichtangaben würden Verbraucher in ihrem gesetzlich geschützten Informationsinteresse
nicht nur unerheblich benachteiligt.
Nach Auffassung der erkennenden Handelskammer ist es nicht rechtsmissbräuchlich, die
einzelnen Autohäuser am Sitz des für sie zuständigen Gerichts in Anspruch zu nehmen. Die
effektive Durchsetzung von Verbraucherinteressen setzt eine damit korrespondiere Anzahl
von Abmahnungen und damit einhergehend von gerichtlichen Verfahren voraus. Das der
Beklagten und den weiteren Autohäusern vorgeworfene Fehlverhalten beruht auf einer
individuellen Entscheidung des jeweiligen Händlers, für die die übrigen Händler nicht
einzustehen hätten. Eine Gemeinschaftswerbung liegt nach Ansicht der Kammer ebenso
wenig vor. Die Voraussetzungen einer einheitlichen Inanspruchnahme sind aus dem Grund
nicht gegeben. Darüber hinaus ist die einzelne Inanspruchnahme der Händler auch nicht
wegen einer missbräuchlichen Generierung von Gebühren unzulässig. Um die dem
Verbraucherschutz dienende Kennzeichnungs- und Informationspflicht effektiv durchzusetzen
ist es erforderlich, sämtliche Verstöße in einzelnen Klageverfahren klären zu lassen.
Anderenfalls wäre der Kläger, bei dem höchstrichterlich festgestellt ist, dass der
Verbraucherschutz durch Marktüberwachung als Verbandszweck nicht lediglich vorgeschoben
ist, gezwungen, seine Verpflichtung zur Marktüberwachung auf einzelne Verstöße zu
konzentrieren und zu beschränken. Ein Rechtsmissbrauch folgt insbesondere auch nicht aus
Gründen der Prozessökonomie, denn die Beklagte sowie die weiteren Autohäuser haben dem
Kläger gegenüber nicht vorprozessual angezeigt, dass bereits ihr Verhalten mit dem Hersteller
abgestimmt ist und sie durch den gleichen Prozessbevollmächtigten vertreten werden,
weshalb die Bündelung sämtlicher Ansprüche in einem Prozess zu Synergieeffekten führe.
Für den Kläger bestand auch kein Anhaltspunkt, dass die Beklagte sowie die weiteren
Autohäuser sich durch den gleichen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen würden.
Darüber hinaus haben die Beklagte sowie die weiteren Autohäuser dem Kläger nicht
signalisiert, dass eine „Musterentscheidung“ für alle Händler verbindlich sein sollte.
Diese Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die Beklagte hat die Möglichkeit, die
Entscheidung mit dem Rechtsmittel der Berufung durch das Oberlandesgericht Oldenburg
überprüfen zu lassen.
Richter am Landgericht Christoph Willinghöfer
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