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Ist bei einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter die Fahrerlaubnis zu entziehen?

Pressemitteilung 30/23



10.08.2023




OSNABRÜCK. Die 5. Kleine Strafkammer des Landgerichts Osnabrück verhandelt am Donnerstag, dem 17. August 2023, 9:00 Uhr, Saal 188, in einem Berufungsverfahren gegen den heute 34-jährigen Angeklagten wegen Trunkenheit im Straßenverkehr (Az.: 5 NBs 59/23).

Dem Angeklagten wird vorgeworfen, am Abend des 15. Oktober 2022 nach dem Besuch eines VfL-Spiels mit einem Blutalkoholwert von 1,44 Promille gemeinsam mit einem Bekannten mit zwei E-Scootern von der Straße Markt in Richtung Heger Straße gefahren zu sein, obwohl er infolge der Alkoholeinwirkung nicht mehr fahrtauglich gewesen sei. Der Bekannte des Angeklagten soll gestürzt sein. Der Angeklagte soll den Rettungswagen alarmiert haben. Vor Ort wurde der Führerschein des Angeklagten noch sichergestellt.

Das Amtsgericht Osnabrück hat den Angeklagten zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen verurteilt sowie ein Fahrverbot von 5 Monaten verhängt, wobei die Zeit der Sicherstellung des Führerscheins ab dem 15.10.2022 auf das Fahrverbot anzurechnen ist. Nach Auffassung des Amtsgerichts habe sich der Angeklagte nicht als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen, so dass von einer Entziehung der Fahrerlaubnis abgesehen werden konnte. Aus der Nutzung eines nicht führerscheinpflichtigen „Elektrokleinstfahrzeuges“ könne nicht auf das Nutzungsverhalten bei einem Kraftfahrzeug geschlossen werden.

Gegen das erstinstanzliche Urteil legte die Staatsanwaltschaft Osnabrück Rechtsmittel ein. Sie fordert den Entzug der Fahrerlaubnis. Ferner bewegt sich die Geldstrafe nach Auffassung der Staatsanwaltschaft am äußersten unteren Rand des gesetzlichen Rahmens.

In dem Berufungsverfahren wird zu klären sein, ob die ausgeurteilte Strafe tat- und schuldangemessen ist, insbesondere das verhängte Fahrverbot.

Zum weiteren Verfahren:

Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 13. April 2023 entschieden, dass die Wertgrenze von 1,1 Promille auch beim Fahren mit einem E-Scooter (Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h) zu der unwiderlegbaren Vermutung der absoluten Fahruntüchtigkeit führe, vgl. BGH, Beschluss vom 13. April 2023, Geschäftszeichen 4 StR 439/22.

Nach der Regelvermutung zu § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB ist bei Trunkenheitsfahrten der Führerschein zu entziehen. Diese Vermutung ist widerlegbar. Ob bei einer - vermuteten - absoluten Fahruntüchtigkeit die Nutzung eines E-Scooters auch eine Entziehung der Fahrerlaubnis gerechtfertigt ist, ist umstritten. Maßgeblich dürfte hierbei die Beantwortung der Frage sein, ob bei einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter im Gegensatz zur Nutzung eines Kraftfahrzeuges ein geringeres abstraktes Gefährdungspotential besteht.

Normen:

§ 316 Trunkenheit im Verkehr

(1) Wer im Verkehr (§§ 315 bis 315e) ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 315a oder
§ 315c mit Strafe bedroht ist.

(2).....


§ 44 Fahrverbot

(1) Wird jemand wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe verurteilt, so kann ihm das Gericht für die Dauer von einem Monat bis zu sechs Monaten verbieten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder oder einer bestimmten Art zu führen. Auch wenn die Straftat nicht bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen wurde, kommt die Anordnung eines Fahrverbots namentlich in Betracht, wenn sie zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung erforderlich erscheint oder hierdurch die Verhängung einer Freiheitsstrafe oder deren Vollstreckung vermieden werden kann. Ein Fahrverbot ist in der Regel anzuordnen, wenn in den Fällen einer Verurteilung nach § 315c Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a, Abs. 3 oder § 316 die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 unterbleibt.

(2)…
(3)...
(4)…



§ 69 Entziehung der Fahrerlaubnis

(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so entzieht ihm das Gericht die Fahrerlaubnis, wenn sich aus der Tat ergibt, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Einer weiteren Prüfung nach § 62 bedarf es nicht.

(2) Ist die rechtswidrige Tat in den Fällen des Absatzes 1 ein Vergehen
1. der Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c),
1a. des verbotenen Kraftfahrzeugrennens (§ 315d),
2. der Trunkenheit im Verkehr (§ 316),
3. des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142), obwohl der Täter weiß oder wissen kann, dass bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist, oder
4. des Vollrausches (§ 323a), der sich auf eine der Taten nach den Nummern 1 bis 3 bezieht, so ist der Täter in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen.

(3) …





Richter am Landgericht Christoph Willinghöfer
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