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Landgericht Osnabrück hebt Durchsuchungsbeschluss für die Diensträume des BMJV auf

OSNABRÜCK. Am 9. September 2021 durchsuchte die Staatsanwaltschaft Osnabrück auf der Grundlage eines Beschlusses des Amtsgerichts Osnabrück vom 25. August 2021 Diensträume sowie die dort geführten Papierarchive sowie elektronischen Archive des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV, nunmehr: Bundesministerium der Justiz) in Berlin. Die 12. Große Strafkammer des Landgerichts Osnabrück hat nunmehr den Durchsuchungsbeschluss aufgehoben, Geschäftszeichen 12 Qs 32/21.

Der Durchsuchung ist folgender Sachverhalt vorausgegangen:

Die Staatsanwaltschaft Osnabrück führt ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt gemäß § 258a StPO. Anlass war eine Meldung der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen/Financial Intelligence Unit (FIU) vom 22. Januar 2020 an das Landeskriminalamt (LKA) Niedersachsen, mit der zwei kurz zuvor bei der FIU eingegangene Geldwäscheverdachtsanzeigen eines Kreditinstitutes nach § 43 GwG weitergeleitet wurden. Bei einem Konto ihrer Kundin sollen ungewöhnliche Zahlungsvorgänge aufgefallen sein, die auf Betrugstaten hinweisen würden. Im Rahmen der Ermittlungen wurde bekannt, dass bei der FIU bereits zuvor weitere Verdachtsanzeigen eingegangen, jedoch nicht an die Ermittlungsbehörden weitergeleitet worden waren.

Bereits am 14. Juli 2020 durchsuchte die Staatsanwaltschaft Osnabrück in diesem Zusammenhang die der FIU zugeordneten Räumlichkeiten der Generalzolldirektion. Sichergestellt und beschlagnahmt wurde hierbei unter anderem ein Schreiben des BMJV an das Bundesministerium für Finanzen (BMF) vom 15. Mai 2020 mit dem Betreff „Zusammenarbeit der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU) mit den Strafverfolgungsbehörden“. Ferner wurden E-Mailpostfächer von vier Führungskräften der FIU gesichert und unveränderlich gespeichert.

Ende Juli 2021 erfragte die sachbearbeitende Staatsanwältin telefonisch die Herausgabe des Schreibens vom 15. Mai 2020 bei dem zuständigen Referatsleiter des BMJV, welcher eine Übermittlung allein aufgrund telefonischer Anfrage jedoch ablehnte.

Daraufhin beantragte die Staatsanwaltschaft die Durchsuchung der Diensträume sowie der dort geführten Archive des BMF sowie des BMJV in Berlin. Das Amtsgericht Osnabrück ordnete diese mit Beschlüssen vom 10. August 2021 (BMF) sowie vom 25. August 2021 (BMJV) an. Die Durchsuchung sollte der Identitätsfeststellung von Mitarbeitenden der FIU sowie der Aufklärung der Motivationslage für das Absehen von der Übermittlung von Verdachtsmeldungen an die Ermittlungsbehörden dienen.

Gegen den Durchsuchungsbeschluss vom 25. August 2021 ist unter dem 27. September 2021 Beschwerde erhoben worden. Das Amtsgericht Osnabrück hat der Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren zur Entscheidung dem Landgericht Osnabrück vorgelegt.

Das Landgericht Osnabrück hat mit Beschluss vom 09. Februar 2022 den Beschluss des Amtsgerichts Osnabrück vom 25. August 2021 aufgehoben.

Die Durchsuchung behördlicher Räume sei, so die 12. Große Strafkammer des Landgerichts, auf Grundlage der gesetzlichen Regelungen grundsätzlich nur dann zulässig, wenn die betreffende Behörde zuvor vergeblich durch ein mit Gründen versehenes Herausgabeverlangen unter genauer Bezeichnung des verlangten Schriftguts zur Herausgabe aufgefordert worden sei. Ein schriftliches Herausgabeverlangen ist nach dem Inhalt der Entscheidung nur ausnahmsweise entbehrlich, wenn eine Ablehnung sicher zu erwarten, eine Vernichtung von Beweismitteln zu befürchten oder eine besondere Dringlichkeit anzunehmen wäre.

Diese Voraussetzungen sah die 12. Große Strafkammer als nicht erfüllt an. Schriftlich habe die Staatsanwaltschaft keine Beweismittel angefordert und aus der telefonischen Weigerung eines Referatsleiters gegenüber der ermittelnden Staatsanwältin habe nicht gefolgert werden dürfen, dass die Behörde generell nicht zur Herausgabe der gegenüber dem Amtsgericht Osnabrück erstmals benannten Beweismittel bereit gewesen sei. Ferner sei weder die Vernichtung von Beweismitteln zu befürchten gewesen noch habe eine besondere Dringlichkeit oder Eilbedürftigkeit bestanden. Die Gefahr des Verlustes von Beweismaterial habe insbesondere nicht mit Blick auf die bevorstehende Bundestageswahl bestanden. Unter Berücksichtigung der bestehenden Vorschriften der Aktenordnung sei es eher unwahrscheinlich, dass als Beweismittel in Betracht kommende Schriftstücke im Zuge eines etwaigen Regierungswechsels verloren gingen.

Im Übrigen sei die Anordnung der Durchsuchung auch unverhältnismäßig.

Da das telefonisch angeforderte Schriftstück der Staatsanwaltschaft bereits vorgelegen habe, sei die Durchsuchung bereits nicht erforderlich gewesen. Auch die sonst erstrebten Beweismittel hätten sich bereits seit der Durchsuchung bei der FIU am 14.Juli 2020 bei den Ermittlungsakten befunden, weil sie Bestandteil der von der FIU an die Zentrale Kriminalinspektion Osnabrück übergebenen Akten waren.

Darüber hinaus sei eine Durchsuchung auch nicht angemessen gewesen. Die Stärke des Verdachts einer Strafvereitelung im Amt sei als gering einzustufen und ein angemessenes Verhältnis zu den Auswirkungen der Durchsuchung und Beschlagnahme nicht mehr gegeben. Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten innerhalb des BMJV hätten nicht bestanden und ein Bezug des Ministeriums oder seiner Mitarbeiter zu potentiellen Straftaten innerhalb der FIU hätte nicht hergestellt werden können. Werde ungeachtet dessen gleichwohl eine Durchsuchung angeordnet und das BMJV dem Verdacht ausgesetzt, sich nicht rechtstreu zu verhalten, sei dies geeignet, dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Institutionen einen nicht unbeachtlichen Schaden zuzufügen.



Strafgesetzbuch

§ 258 StGB Strafvereitelung

(1) Wer absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, dass ein anderer dem Strafgesetzbuch gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft oder einer Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) unterworfen wird, wird mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer absichtlich oder wissentlich die Vollstreckung einer gegen einen anderen verhängten Strafe oder Maßnahme ganz oder zum Teil vereitelt.

§ 258a StGB - Strafvereitelung im Amt

(1) Ist in den Fällen des § 258 Abs. 1 der Täter als Amtsträger zur Mitwirkung bei dem Strafverfahren oder dem Verfahren zur Anordnung der Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) oder ist er in den Fällen des § 258 Abs. 2 als Amtsträger zur Mitwirkung bei der Vollstreckung der Strafe oder Maßnahme berufen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.

Strafprozessordnung

§ 94 Sicherstellung und Beschlagnahme von Gegenständen zu Beweiszwecken

(2) Befinden sich die Gegenstände in dem Gewahrsam einer Person und werden sie nicht freiwillig herausgegeben, so bedarf es der Beschlagnahme.

§ 96 Amtlich verwahrte Schriftstücke

Die Vorlegung oder Auslieferung von Akten oder anderen in amtlicher Verwahrung befindlichen Schriftstücken durch Behörden und öffentliche Beamte darf nicht gefordert werden, wenn deren oberste Dienstbehörde erklärt, dass das Bekanntwerden des Inhaltes dieser Akten oder Schriftstücke dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde.

§ 103 Durchsuchung bei anderen Personen

(1) Bei anderen Personen sind Durchsuchungen nur zur Ergreifung des Beschuldigten oder zur Verfolgung von Spuren einer Straftat oder zur Beschlagnahme bestimmter Gegenstände und nur dann zulässig, wenn Tatschen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die gesuchte Person, Spur oder Sache sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet.

§ 161 Allgemeine Ermittlungsbefugnisse der Staatsanwaltschaft

(1) Zu dem in § 160 Abs. 1 bis 3 bezeichneten Zweck ist die Staatsanwaltschaft befugt, von allen Behörden Auskunft zu verlangen und Ermittlungen jeder Art entweder selbst vorzunehmen oder durch die Behörden und Beamten des Polizeidienstes vornehmen zu lassen, soweit nicht andere gesetzliche Vorschriften ihre Befugnisse besonders regeln.

Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten (Geldwäschegesetz - GwG)

§ 43 Meldepflichten von Verpflichteten, Verordnungsermächtigungen

(1) Liegen Tatsachen vor, die darauf hindeuten, dass

1. ein Vermögensgegenstand, der mit einer Geschäftsbeziehung, einem Maklergeschäft oder einer Transaktion im Zusammenhang steht, aus einer strafbaren Handlung stammt, die eine Vortat der Geldwäsche darstellen könnte,

2. ein Geschäftsvorfall, eine Transaktion oder ein Vermögensgegenstand im Zusammenhang mit Terrorismusfinanzierung steht oder

3. der Vertragspartner seine Pflicht nach § 11 Abs. 6 S. 3, gegenüber dem Verpflichteten offenzulegen, ob er die Geschäftsbeziehung oder die Transaktion für einen wirtschaftlich Berechtigten begründen, fortsetzen oder durchführen will, nicht erfüllt hat,

so hat der Verpflichtete diesen Sachverhalt unabhängig vom Wert des betroffenen Vermögensgegenstandes oder der Transaktionshöhe unverzüglich der Zentralstelle für Finanztransaktionsunterbrechungen zu melden.








Richter am Landgericht Christoph Willinghöfer
- Pressestelle -
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