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Bundesgerichtshof bestätigt Entscheidung zur Verjährung von Ansprüchen gegenüber Gesellschaftern einer aufgelösten GbR

Pressemitteilung 6/22

22.02.2022


OSNABRÜCK. Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 16. Dezember 2021,

Geschäftszeichen IX ZR 81/21, die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts

Osnabrück vom 6. Mai 2021, Geschäftszeichen 4 S 319/20, zurückgewiesen.


Welcher Sachverhalt lag der Entscheidung des Landgerichts zu Grunde?

In dem Berufungsverfahren hatte das Landgericht Osnabrück über die Frage zu entscheiden,

wann Ansprüche von Dritten gegenüber Gesellschaftern einer aufgelösten GbR verjähren.

Erstinstanzlich war der Klage stattgegeben worden. Geklagt hatte ein

Rechtsschutzversicherer gegen die Gesellschafter einer zwischenzeitlich aufgelösten

Anwalts-GbR auf Rückzahlung eines Vorschusses für die Terminsgebühr. Der Termin fand

wegen der Insolvenz der Versicherungsnehmerin der Klägerin jedoch nicht mehr statt. Die

Klägerin hat von der Auflösung der Anwalt-GbR im Juni 2016 Kenntnis erlangt und im Februar

2019 gegen den Beklagten sowie den weiteren Gesellschafter der Anwalts-GbR

Mahnbescheide erwirkt. Der Beklagte sowie sein früherer Mitgesellschafter erhoben die

Einrede der Verjährung. Nach Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts war der Anspruch

nicht verjährt. Die erstinstanzliche Entscheidung ist gegen den weiteren Gesellschafter

rechtskräftig geworden.



Wie urteilte das Landgericht?


Das Landgericht Osnabrück hat die Berufung des Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil

zurückgewiesen. Der geltend gemachte Anspruch sei nicht verjährt. Es finde die

Regelverjährung nach § 195, § 199 BGB mit einem Verjährungsbeginn zum Ende des Jahres

2016 Anwendung, so dass die Verjährung durch die erwirkten Mahnbescheide im Jahr 2019

gehemmt worden sei. Der Rechtsansicht des Beklagten, es bestehe eine stichtagsbezogene

dreijährige Verjährung entsprechend der Regelung zu § 159 Abs. 2 HGB, wurde nicht gefolgt.

Gemäß § 159 Abs. 2 HGB beginne die Verjährung zwar mit dem Ende des Tages, an

welchem die Auflösung der Gesellschaft ins Handelsregister eingetragen werde

beziehungsweise der Gläubiger einer GbR Kenntnis von deren Auflösung habe. Die Regelung

zu § 159 Abs. 1 Halbsatz 1 HGB finde gemäß dessen zweiten Halbsatz jedoch keine

Anwendung, wenn die Ansprüche gegen die Gesellschaft einer kürzeren als der Fünfjahresfrist

unterliegen. Dieses sei bei einem Rückforderungsanspruch wegen eines unberechtigterweise

erhaltenen Vorschusses für eine Terminsgebühr der Fall, der einer Regelverjährung von drei

Jahren unterliege. Die stichtagsbezogene Verjährung von fünf Jahren gemäß § 159 HGB sei

daher nicht anwendbar. Eine Kombination von stichtagsbezogenem Beginn der Verjährung

sowie der Dauer der Regelverjährung von drei Jahren widerspreche der Systematik der

Verjährungsregeln. Eine hierdurch erfolgte Privilegierung der Gesellschafter einer aufgelösten

Gesellschaft sei nicht gerechtfertigt. Die Revision wurde wegen der grundsätzlichen

Bedeutung der Rechtssache zugelassen.


Wie entschied der Bundesgerichtshof?


Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Beklagten zurückgewiesen. Die Verjährung von

Ansprüchen gegenüber den Gesellschaftern einer aufgelösten GbR richte sich nach der

Regelung § 159 Abs. 1 HGB. Die Verjährungsfrist betrage mithin fünf Jahre. Die Regelung zu

§ 159 Abs. 1 Halbsatz 2 HGB betreffe nicht die dem Gesellschafter der aufgelösten

Gesellschaft zustehende Verjährungseinrede. Die Formulierung der Regelung zu

§ 159 Abs. 1 Halbsatz 2 HGB sei missverständlich. Es werde hiermit lediglich klargestellt, dass

dem Gesellschafter weiterhin die Möglichkeit gemäß § 129 HGB zustehe, sich auf die Einrede

der Verjährung der Gesellschaftsschuld zu berufen. Im konkreten Fall könne sich der Beklagte

jedoch nicht darauf berufen, dass die Ansprüche gegenüber der Anwalts-GbR verjährt seien.

Einem Gesellschafter sei verwehrt, sich auf die Einrede der Verjährung der

Gesellschaftsverbindlichkeit zu berufen, sofern ihm gegenüber die Verjährung rechtzeitig

gehemmt worden sei (d.h. sofern die Ansprüche gegenüber der Gesellschaft zum Zeitpunkt

der Vornahme der verjährungshemmenden Maßnahme oder später verjähren). Dieses sei im

Februar 2019 durch das Erwirken der Mahnbescheide der Fall gewesen.




Bürgerliches Gesetzbuch

§ 195 Regelmäßige Verjährung

Die regelmäßige Verjährung beträgt drei Jahre.


§ 199 Beginn der regelmäßigen Verjährung und Verjährungshöchstfristen

(1) Die regelmäßige Verjährung beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres,

in dem

1. der Anspruch entstanden ist

2. der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne

grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.


§ 204 Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung

(1) Die Verjährung wird gehemmt durch

3. die Zustellung des Mahnbescheides im Mahnverfahren oder des Europäischen Zahlungsbefehls im Europäischen

Mahnverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember

2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABL. EU Nr. L 399 S.1)

Handelsgesetzbuch


§ 129 Einwendungen des Gesellschafters

(1) Wird ein Gesellschafter wegen einer Verbindlichkeit der Gesellschaft in Anspruch genommen, so kann er Einwendungen, die

nicht in seiner Person begründet sind, nur insoweit geltend machen, als sie von der Gesellschaft erhoben werden können.


§ 159 Ansprüche gegen die Gesellschafter

(1) Die Ansprüche gegen einen Gesellschafter aus Verbindlichkeiten der Gesellschaft verjähren in fünf Jahren nach der

Auflösung der Gesellschaft, sofern nicht der Anspruch gegen die Gesellschaft einer kürzeren Verjährung unterliegt.

(2) Die Verjährung beginnt mit dem Ende des Tages, an welchem die Auflösung der Gesellschaft in das Handelsregister des für

den Sitz der Gesellschaft zuständigen Gerichts eingetragen wird.










Richter am Landgericht Christoph Willinghöfer
- Pressestelle -
Landgericht Osnabrück, Neumarkt 2,
49074 Osnabrück
Telefon: 05 41 - 3 15 1325
Telefax: 05 41 - 3 15 6138
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