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Bundesgerichtshof bestätigt Entscheidung zur Rückzahlungspflicht von Fitnessstudiobeiträgen nach coronabedingter Schließung

Pressemitteilung 18/22


06.05.2022


OSNABRÜCK. Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 4. Mai 2022, Az. XII ZR 64/21, die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 9. Juli 2021, Az. 2 S 35/21, zurückgewiesen.


Welcher Sachverhalt lag der Entscheidung des Landgerichts zu Grunde?

Der Kläger war Mitglied im Fitnessstudio der Beklagten. Es bestand ein Vertrag mit einer 24- monatigen Laufzeit, beginnend ab dem 8. Dezember 2019. Der monatliche Mitgliedsbeitrag betrug EUR 29,90. Aufgrund behördlicher Anordnung musste die Beklagte das Fitnessstudio in der Zeit vom 16. März bis zum 4. Juni 2020 schließen. Die Mitgliedsbeiträge zog sie weiterhin aufgrund der erteilten Lastschriftermächtigung vom Konto des Klägers ein. Die Mitgliedschaft wurde durch Kündigung des Klägers zum 8. Dezember 2021 beendet. Der Kläger forderte von der Beklagten die Rückzahlung der auf den Zeitraum der Schließung entfallenden Mitgliedsbeiträge in Höhe von EUR 86,75. Eine Rückzahlung erfolgte nicht. Auf die Forderung nach einem Wertgutschein bot ihm die Beklagte hingegen einen „Gutschein über Trainingszeit“ an, was der Kläger ablehnte. Das Amtsgericht Papenburg gab der Klage in voller Höhe statt, AG Papenburg, Urteil vom 18. Dezember 2020, Geschäftszeichen 3 C 337/20.


Wie urteilte das Landgericht?

Das Landgericht Osnabrück wies die Berufung der Beklagten zurück. Der Beklagten sei die Erbringung der von ihr geschuldeten Leistung während der Dauer der behördlich angeordneten Schließung nicht möglich im Sinne von § 275 BGB gewesen, so dass die Verpflichtung zur Zahlung der monatlichen Beiträge entfalle und die Beklagte die zu Unrecht eingezogenen Beiträge gemäß § 326 Abs. 4 BGB zurückzuzahlen habe. Es habe nicht nur ein vorrübergehendes Leistungshindernis bestanden. Eine hierfür erforderliche Nachholbarkeit der von der Beklagten geschuldeten Leistung sei aufgrund der von dem Kläger ausgesprochenen Kündigung sowie der festen Dauer der Mitgliedschaft nicht möglich gewesen. Es liege auch keine Störung der Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 BGB vor, welche zu einer Anpassung des Vertrages in der Weise führe, dass sich das Vertragsverhältnis um den Zeitraum der Schließung kostenfrei verlängere. Die Regelung zu § 275 BGB sei vorrangig. Der Gesetzgeber habe mit der Regelung zu Art. 240 § 5 EGBGB eine abschließende Regelung getroffen.



Wie entschied der Bundesgerichtshof?

Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Der Zweck eines Fitnessstudiovertrages mit einer festen Laufzeit bestehe in der Möglichkeit, sich regelmäßig sportlich betätigen zu können. Dieser Vertragszweck könne während einer Schließung nicht erreicht werden und sei nicht nachholbar. Wie das Landgericht Osnabrück entschied der Bundesgerichtshof, dass die Leistung der Beklagten daher unmöglich sei. Die Regelung zu § 275 BGB sei gegenüber der Regelung zu § 313 BGB vorrangig, so dass eine Vertragsanpassung nicht in Betracht komme. Ferner bestehe mit der Regelung zu Art. 240 § 5 EGBGB eine speziellere Regelung. Dem Kläger stehe daher ein Rückzahlungsanspruch gemäß § 326 Abs. 4 BGB zu.



Art. 240 § 5 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB)

(1) Wenn eine Musik-, Kultur-, Sport oder sonstige Freizeitveranstaltung aufgrund der COVID-9-Pandemie nicht stattfinden könne oder kann, ist der Veranstalter berechtigt, dem Inhaber einer vor dem 8. März 2020 erworbenen Eintrittskarte oder sonstigen Teilnahmeberechtigung anstelle einer Erstattung des Eintrittspreises oder sonstigen Entgelts einen Gutschein zu übergeben. […]

(2) Soweit eine Musik-, Kultur-, Sport oder sonstige Freizeiteinrichtung aufgrund der COVID-19-Pandemie zu schließen war und ist, ist der Betreiber berechtigt, dem Inhaber einer vor dem 8. März 2020 erworbenen Nutzungsberechtigung anstelle einer Erstattung des Entgelts einen Gutschein zu übergeben.

[…]

(5) Der Inhaber eines nach den Absätzen 1 und 2 ausgestellten Gutscheins kann von dem Veranstalter oder Betreiber die Auszahlung des Wertes des Gutscheins verlangen, wenn

1. der Verweis auf einen Gutschein für ihn angesichts seiner persönlichen Lebensumstände unzumutbar ist oder

2. er den Gutschein bis zum 31. Dezember 2021 nicht eingelöst hat.







Richter am Landgericht Christoph Willinghöfer
- Pressestelle -
Landgericht Osnabrück, Neumarkt 2,
49074 Osnabrück
Telefon: 05 41 - 3 15 1325
Telefax: 05 41 - 3 15 6138
christoph.willinghöfer@justiz.niedersachsen.de

Web: http://www.landgericht-osnabrueck.niedersachsen.de

Twitter: https://twitter.com/LandgerichtOS



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