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Das Forschungsprojekt “Strukturierung im Zivilprozess” am Landgericht Osnabrück



Das Landgericht Osnabrück nimmt in den Jahren 2023/24 an einem gemeinsamen Forschungsvorhaben des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz, des Niedersächsischen Justizministeriums und der Universität Regensburg zur Strukturierung im Zivilprozess teil.

In einem sog. Reallabor soll in einzelnen Zivilverfahren eine alternative Form des Parteivortrags getestet werden. An die Stelle der Schriftsätze tritt in diesen Verfahren ein digitales Basisdokument. Es bildet zu jeder Zeit in einem einzigen digital bearbeitbaren Dokument den gesamten Parteivortrag und den aktuellen Verfahrensstand übersichtlich und frei von Wiederholungen ab. Das Ziel ist, auf diesem Weg eine für alle Beteiligten vorteilhafte Alternative zum klassischen Austausch von Schriftsätzen zu entwickeln.

Das digitale Basisdokument lässt dabei den Beteiligten größtmögliche Gestaltungsfreiheit. Das Vortragsrecht wird weder mit Blick auf den Umfang noch den Inhalt beschränkt. Das Ziel ist ausschließlich, eine „Struktur“ mit drei Ordnungsprinzipien zu schaffen:


 Die fortlaufende Nummerierung bzw. Gliederung des Vortrags,

 die Bezugnahme auf die konkrete Textstelle des gegnerischen Vortrags,
soweit auf gegnerisches Vorbringen erwidert wird, sowie

 das Einfügen späteren Vortrags jeweils an der passenden Stelle im bisherigen eigenen Vortrag.


Die Software für das digitale Basisdokument hat die Universität Regensburg entwickelt. Die Nutzung erfordert keine Installation, sondern erfolgt durch Aufruf einer Internetseite mit einer selbsterklärenden Benutzeroberfläche. Alle datenschutzrechtlichen Anforderungen werden gewahrt. Die Internetseite dient ausschließlich der Bearbeitung; alle fallbezogenen Daten werden nur lokal gespeichert. Es werden keine Daten in einer Cloud abgelegt. Das fertig bearbeitete Dokument kann gespeichert und wie gewohnt über den elektronischen Rechtsverkehr versandt, aber auch z.B. für den Mandanten oder zur Archivierung ausgedruckt werden.

Das Gericht wird in den betreffenden Verfahren ebenfalls mit dem Basisdokument arbeiten und z.B. seine Hinweise dort einfügen. Angestrebt ist zudem, in geeigneten Fällen die gemeinsame Nutzung des Basisdokuments, aber auch die Verfahrensgestaltung insgesamt durch frühzeitige digitale Verfahrenskonferenzen zwischen Parteivertretern und Gericht abzustimmen.

Die Teilnahme an der Erprobung des neuen Modells ist selbstverständlich für die Verfahrensbeteiligten freiwillig. Bei technischen oder inhaltlichen Schwierigkeiten kann die Nutzung des Basisdokuments jederzeit abgebrochen werden. Das Verfahren kann dann wie gewohnt mit dem Austausch von Schriftsätzen fortgeführt werden, wobei eine Wiederholung des bisherigen Vortrags nicht erforderlich ist. Weitere Informationen über diesen innovativen Ansatz sowie Schulungsmaterialien sind unter www.basisdokument.de verfügbar. Unter http://app.parteivortrag.de kann – auch testweise – ein Basisdokument jederzeit erstellt werden.

Wir möchten als Landgericht bei allen Anwältinnen und Anwälten für die Teilnahme an dem Projekt werben. Ihre Mitwirkung ermöglicht es Ihnen, sich ein eigenes Bild zu verschaffen und den Zivilprozess der Zukunft mitzugestalten. Im Rahmen einer Evaluation erhalten Sie auch die Möglichkeit, Ihre Erfahrungen den hinter dem Vorhaben stehenden Ministerien mitzuteilen.

Derzeit nehmen die 1. und die 9. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück an dem Reallabor teil. Damit können insbesondere Verfahren aus den Bereichen Insolvenzrecht, Versicherungsrecht und Allgemeines Zivilrecht mit dem digitalen Basisdokument geführt werden. In diesen Bereichen kann bereits die Klage über ein Basisdokument eingereicht werden. Es ist durch eine entsprechende Regelung in der Geschäftsverteilung sichergestellt, dass solche Klagen den beiden teilnehmenden Kammern zugewiesen werden. Ebenso kann im laufenden Verfahren auf das digitale Basisdokument gewechselt werden.

Als Ansprechpartner für das Projekt steht Ihnen am Landgericht Osnabrück Herr Dr. Christoph Sliwka unter Telefon 0541/315-1127 oder per E-Mail unter christoph.sliwka@justiz.niedersachsen.de jederzeit gerne zur Verfügung. Mit ihm kann bei Interesse auch ein Termin zur Vorführung und Erläuterung des Programms in Ihrer Kanzlei vereinbart werden.

Für Ihre Unterstützung des Projekts sage ich bereits jetzt allen teilnehmenden Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten herzlichen Dank!


Dr. Thomas Veen


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